Ja zur zweiten Gotthardröhre

Zeiten ändern sich. Wie schnell das gehen kann, erleben wir täglich mit der Flüchtlingskrise. Immer mehr Menschen strömen nach Europa und stellen die Versorgung vor neue Tatsachen. So wird mehr Wohnraum nötig, mehr Nahrungsmittel müssen produziert und transportiert werden, und der Individualverkehr nimmt entsprechend zu. Eine Hauptschlagader innerhalb Europas ist die Nord-Süd Verbindung durch den Gotthard. Mit dem Bau der NEAT wurde schon vorausschauend ein Standbein zur Bewältigung des Verkehrs realisiert. Aber kapazitätsmässig ist es unmöglich den ganzen wachsenden Verkehr auf die NEAT umzulenken. Der Strassenverkehr wird weiterhin nötig sein um mit der globalen Entwicklung der Wirtschaft und Versorgung mithalten zu können.

Dass die heutige Situation mit nur einer Gotthardröhre und der Ausweichroute San Bernardino kritisch ist, zeigten die vielen Vorfälle im 2015. In einem Fall war die Gotthardröhre wegen eines Unfalls, und die San Bernardino Route ebenfalls wegen eines schweren Unfalls stundenlang gesperrt. Auch der Bahnverkehr war 2012 über Wochen lahmgelegt wegen eines Felssturzes, wie auch im Mai 2015 wegen einem Crash zweier Güterzüge. Das Tessin war abgeschnitten.

Dass nun der St. Galler Baudirektor Willi Haag mit seiner Aussage, der Kanton St. Gallen sei vom Anliegen der Gotthardröhre(n) nicht betroffen, irritiert, erstaunt wenig. Gerade in Sachen Verkehr ist weitsichtiges Denken und Handeln angesagt. Wird der Gotthard Strassentunnel für die Sanierung während 3 bis 4 Jahren total gesperrt, hat das massive Auswirkungen auf unseren Kanton. Der Strassenverkehr wird sich mit Sicherheit seinen Weg suchen. Und dieser Weg führt unter Anderem über die Stadt St. Gallen, durchs Rheintal hinauf zum San Bernardino. Die Stadtautobahn in St. Gallen stösst vielfach schon an Kapazitätsgrenzen und endet im Stau. Und das Astra hat mit dem abrupten Baustop in Sachen Sanierung der Autobahn zwischen Rheineck und St. Margrethen, wegen Geldmangel, auch dafür gesorgt, dass an heissen Tagen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h nötig ist.

Thomas Vellacott, Geschäftsführer von WWF Schweiz, führt die in Paris beschlossenen Klimaziele ins Feld. Sie liessen sich nur erreichen, wenn keine neuen Ölheizungen, Bohrplattformen oder eben Strassen gebaut würden, sagte er. Dem halte ich entgegen, dass die eng gefassten Klimaziele sowieso nicht erreichbar sind, weil Millionen Menschen nach Europa, und zig Zehntausende in die Schweiz strömen. Diese Menschen benötigen, wie ich vorgängig schon erwähnt habe, auch Ressourcen. Nur sind diese nicht in den Klimazielen berücksichtigt. Es ist aber auch logisch, dass wenn der motorisierte Verkehr nicht flüssig gehalten werden kann, wegen Verhinderung von dringend nötigen Massnahmen wie die sicherheitsrelevante Sanierung des Gotthardtunnels, es zu immer grösseren und längeren Staus kommt. Und ich bin mir sicher, die Umweltverbände können kein einziges Argument ins Feld führen, welches belegt, dass Staus weniger schädlich für die Umwelt sind, als wenn der motorisierte Verkehr flüssig läuft.

Auch die Kosten sind kein wirkliches Argument. So werden diese auf 2.8 Milliarden Franken geschätzt. Hingegen für eine Sanierung ohne zweite Röhre, müssten beidseits des Gotthard Terminals für den Bahnverlad gebaut werden. Diese Kosten würden sich auf 1.5 bis 2.2 Milliarden Franken belaufen. Mit dem zweiten Tunnel haben wir eine Investition für die Zukunft getätigt, welche irgendwann sowieso nötig wird. Machen wir aber nur die Sanierung ohne zweiten Strassentunnel, sind die 2 Milliarden schlichtweg zum Fenster rausgeworfen und wir haben keinen Mehrwert. Dies ist eine ziemlich kurzfristige und egoistische Handlungsweise.

Eigentlich müssten alle EU-Befürworter ein deutliches Ja zur zweiten Gotthardröhre in die Urne legen. Denn eine Hauptursache des ständig wachsenden Nord-Süd Verkehrs ist die EU und deren Länderpolitik. Es kann ja nicht sein dass Milch durch ganz Europa gefahren wird, um anderswo Käse zu produzieren und diesen wieder zurück zufahren. Auch die Personenfreizügigkeit trägt ihres dazu bei, dass Mehrverkehr auf den Strassen stattfindet.

Es gibt nicht nur das Hier und Jetzt. Wir haben auch eine Verantwortung der nächsten Generationen gegenüber. Unsere Pflicht ist es, vorausschauend und nachhaltig mit unseren Ressourcen umzugehen. Verbauen wir uns die Möglichkeit zum heutigen und idealen Zeitpunkt kostengünstig eine zweite Gotthardröhre zu bauen, wird der nachhaltige Schaden massiv grösser sein. Ob dann die Umweltverbände und der VCS glücklich sind, mag ich sehr bezweifeln. Jedenfalls werden sie den Schwarzen Peter in der Hand halten.

Marcel Toeltl

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