Homeschooling

Meine Familie lebt im klassischen Familienmodell. Das bedeutet ich arbeite zu 100% und meine Frau führt das Unternehmen “Familie Zuhause”. Sie betreut unsere Kinder, führt den Haushalt, kauft ein, macht Frühstück und das Mittagessen und vieles mehr. Doch seit ein paar Wochen, wegen der vom Bundesrat verordneten Massnahmen infolge der Corona Pandemie, sieht der Alltag aller Familienmitglieder anders aus.

Meine Frau ist täglich mehrere Stunden mit der Betreuung beider Kinder (1, Kindergarten Jahr und 3. Schulklasse) beschäftigt, da sie bei den Aufgaben helfen und bei neuem Schulstoff quasi die Lehrkraft sein muss. Meine Frau macht das gut und unsere Kinder können den Lehrstoff in der geforderten Zeit, also nach vorgegebenem Stundenplan, absolvieren.

Bisher wurde so jeder Morgen durch das betreute Homeschooling beschlagnahmt. Meine Frau hat sich arrangiert und ich konnte dadurch meinen 100% Homeoffice Job meistens ungestört wahrnehmen.

Doch nun steht der Muttertag vor der Türe. Es ist also an der Zeit ein Muttertags-Geschenk zu basteln. Die Schule liefert dazu auch die Ideen, Vorlagen und Anleitungen. Das ist doch eine gefreute Sache.

Aber nun kommt der Haken. Bin ich denn Lehrer oder Schülerbetreuer? Mein Sohn muss nun dieses Muttertagsgeschenk basteln und ich darf/muss dabei helfen, da ja die zu beschenkende Mutter davon nichts erfahren darf. Das Geschenk ist nach Fertigstellung zu fotografieren und das Foto der Lehrerin einzureichen.

Die Schulen machen es sich schon einfach in dieser Corona-Krise. Wer wie ich bei einem 100% Job zurzeit im Homeoffice arbeitet, hat wohl andere Verpflichtungen als Kinder zu betreuen, welche ein anspruchsvolles, mehrstündiges Homeschooling absolvieren müssen.

Die Grundschulen sind noch nicht in der Digitalisierung angekommen und übertragen die Lehrertätigkeit den Eltern, – unbezahlt wohlverstanden.

Für was nochmals bezahlen wir Schulsteuern, wenn uns die Lehrertätigkeit und Betreuung schlussendlich übertragen und bei uns liegt?

Klar, es ist eine Ausnahmesituation. Und genau darum erwarte ich dass auch die Schulen und Lehrkräfte der Situation entsprechend einen Sonder-Effort leisten. Es kann nicht sein dass auch noch der Unterricht auf die, in dieser Situation schon anderweitig belasteten Eltern, abgewälzt wird.

Ich habe den glücklichen Umstand dass ich in der Informatik Zuhause bin und entsprechende Infrastruktur habe. Doch eine solche hat noch lange nicht jede Familie. Und doch wird dies von den Schulen als Selbstverständlichkeit angenommen.

Es wäre deshalb mehr als zu erwarten dass Familien für die erbrachten Leistungen und Aufwendungen einen steuerlichen Abzug oder eine Vergütung bekommen. Schliesslich wurden die Leistungen nicht freiwillig gemacht sondern als Folge der verordneten Corona Massnahmen aufgezwungen.

Wie die aktuelle Situation zeigt, ist unser Schulsystem nicht geeignet um Homeschooling zu betreiben. Nicht mal einen einfachen Online-Unterricht scheint es zu geben. Dabei sind verschiedene Softwarelösungen (Skype, Microsoft Teams usw.) auf dem Markt, welche genau dies ermöglichen würden.

Die Lösung kann jedoch nicht sein, dass Eltern ihre Kinder selber unterrichten müssen. Ansonsten ist das heutige Schulsystem ernsthaft in Frage zu stellen. Mit dem wöchentlichen Verteilen des Lehrstoffes an die Eltern, wie dies aktuell der Zustand ist, funktioniert der Unterricht anscheinend. Und so kann man sich fragen, wieso die Kinder überhaupt noch zum Präsenzunterricht müssen wenn die Eltern den Lehrstoff genauso vermitteln können.

Die Verantwortung liegt in dieser Zeit sowieso bei den Eltern. Und so könnten diejenigen Eltern, welche ihre Kinder selber (wahl- und wochenweise) unterrichten wollen, mit dem aktuell praktizierten System des Homeschooling in Zukunft fortfahren. Also einmal pro Woche ein Bildungspaket erhalten und damit zuhause unterrichten.

Marcel Toeltl